„I'll show you the results of my training.” Aspekte medialer Verkörperung im Kampfsportspiel Virtua Fighter.

15. Dezember 2014
Abstract: Der vorliegende Artikel untersucht die Kampfsport-Spiel-Reihe Virtual Fighter als konkretes Beispiel für die Mediatisierung des Körpers - vor und hinter dem Bildschirm. Er untersucht, auf welche Weise die medien­spezifischen Bedingungen des Computerspiels ausgestaltet werden, um den Körper und sein Bild zusammenzubringen. Dabei fragt er auch, wie der Körper mit dem Versprechen von Unmittelbarkeit in Bezug gesetzt wird - und was für ein spielinternes wie -externes Körperbild dabei generiert wird. Final untersucht er auch die Rolle des Geschlechts und seine Inszenierung für den Realitäts-Effekt des Kampfspiel-Körpers.

Wie wäre es, eine blonde, muskulöse und durchtrainierte amerikanische Frau in hautengem Sportdress zu sein (Sarah Bryant)? Ein glatzköpfiger chinesischer Shaolin-Mönch in traditionellem Gewand, akrobatisch bis in die Fingerspitzen (Lei-Fei)? Shun-Di, ein fast 100 Jahre alter, kleiner und ergrauter Kung-Fu Kämpfer? Ein muskelbepackter kanadischer Wrestling-Kämpfer in kurzen Hosen, mit freiem Oberkörper und eng geschnürten Boxerstiefeln (Wolf Hawkfield)? Ein dunkelhäutiger Hühne mit aggressivem Gehabe und animalischer Kampfeswut (Jeffry McWild)?

In der Kampfsportspiel-Reihe Virtua Fighter (Sega, seit 1993) muss sich die Spielerin vor der ersten Runde für eine der angebotenen Kämpfer-/innen entscheiden, um damit in Zweikämpfen gegen die kommenden Gegner/-innen anzutreten. Insgesamt 14 verschiedene Charaktere stehen in Virtua Fighter 4 zur Auswahl. 1 Auffallend ist, wie stereotyp die Körper­darstellungen ausfallen. Überdeutlich sind die geschlechtlichen, ethnischen und kulturellen Klischees, die sich direkt visuell vermitteln. Diese Körper­repräsentationen zeigen keine Einzigartigkeit oder Indivi­dualität, sondern sind direkt als Stereotypen erkennbar.

Bei Virtua Fighter geht es offenbar nicht um differen­zierte Charakter­zeichnung. Anders als in dezidierten Rollen­spielen geht es auch nicht darum, dass die Spielerin einen eigenen Charakter entwerfen oder entwickeln soll. Es geht vielmehr um direkten körperlichen Zweikampf. Das Motiv des Turnierkampfs steht im Zentrum, eine Rivalitäts­übung. Körperkontrolle entscheidet über Sieg und Niederlage. Damit folgt Virtua Fighter einem fest etablierten Genre-Schema.

Sarah Bryant

Abb. 1: Sarah Bryant (Bildquelle: http://virtuafighter.wikia.com/wiki/Sarah_Bryant)

Genrecharakteristik: Kampfsportspiele als Remediatisierung von Kampfsportfilmen

Der Turnierkampf, verbunden mit einer Palette auswählbarer Charaktere, deren Unterschiedlichkeit entlang geschlechtlicher, ethnischer, kultureller und stilistischer Stereotypen organisiert wird, kann als ein grundlegendes Genremerkmal zeitgenössischer Kampfsport­spiele gelten. 2 Das Genre hat eine lange Geschichte und ist stark konvention­alisiert. Dazu gehört auch ein typisches Charakter­repertoire, das in erfolgreichen Spielserien konti­nuierlich als eine Art Markenkern gepflegt wird. Zu den prominenten Vertretern des Genres zählen neben Virtua Fighter (Sega, seit 1993) Serien wie Mortal Combat (Midway Games u.a., seit 1992) SoulCalibur (Namco, seit 1998) und Tekken (Namco, seit 1994). Bereits in den 1980er Jahren erlebte das Genre eine erste Hochzeit, mit erfolgreichen Titeln wie Karate Champ (Technōs Japan, 1984), Kung-Fu-Master (Ninentdo, 1984), Yie Ar Kung Fu (Konami, 1985), The Way of the Exploding Fist (Beam Software, 1985), International Karate (System 3, 1986) oder The Last Ninja (System 3, 1987). Wie an den Titeln der Spiele schon zu erkennen, orientiert sich das Genre stark an asiatischen Kampfkünsten und der Kultur der Hong Kong-Action- und Kung-Fu Filme. 3

Tatsächlich lassen sich zahlreiche Motive und Darstellungskonventionen von Kampfsport­spielen als Übernahme bereits etablierter filmischer Genre­konventionen beschreiben. Auch der Turnier­wettkampf, der die Grundstruktur vieler Kampfsport­spiele liefert, findet sich bereits im filmischen Genre vorgeprägt. 4 Neben der Orientierung an einzelnen Motiven und einer Praxis inter­textueller und inter­medialer Bezugnahmen kann das Kampfsport­spiel weitergehend als Remedia­tisierung des Kampfsportfilms interpretiert werden. Dies ist auch für die Frage nach der Bedeutung des Körpers und seiner medialen Inszenierung, Formung und Einbindung von Interesse, und zwar insofern die Betonung medialer Differenz im Videospiel entscheidend über den Körper funktioniert.

Das von Jay David Bolter und Richard Grusin entwickelte Konzept der Remediatisierung verweist zunächst darauf, dass die Entwicklung ‚neuer‘ Medien gar nicht ohne den Bezug zu bereits bestehenden Medien auskommt. 5 Diese Bezugnahmen auf ‚alte‘ Medien verlaufen über eine doppelte Rhetorik der Überbietung, durch die sich das jeweils neue Medium als ‚Fortschritt‘ inszeniert. Dies geschieht vor allem durch ein Versprechen von ‚Unmittelbarkeit‘ (immediacy), in Verbindung mit Hypermedialität. Ein Verfahren von Hypermedialität ist die (Wieder-)Aufführung eines bestehenden Mediums im neuen. Die damit erfolgende Selbst­thematisierung des Mediums lenkt die Aufmerksamkeit auf die medialen Bedingungen der Darstellung. Die Strategie der ‚Unmittelbarkeit‘ zielt gegenläufig dazu auf ein Verschwinden des Mediums. Gerade nur in dem Maß wie Medien sich selbst zum Verschwinden bringen, so die These, zeigen sie ‚die Realität‘. Bolter und Grusin zeigen an zahlreichen Beispielen, dass Kombi­nationen von Unmittel­barkeit und Hyper­medialität sich gegenseitig nicht ausschließen, sondern Verfahren sind, wie Medien ihre eigenen Qualitäten und Begrenzungen sichtbar machen, und sich so zueinander abgrenzen und definieren. 6

Im Kampfsportspiel sind, bezogen auf das verwandte filmische Genre, beide Strategien erkennbar, was Aufschluss gibt über medienspezifische Verschiebungen, die für das Videospiel charakteristisch sind. Die Strategie der Hypermedialität ließe sich in der Wiederaufführung des Kampfsport­films als Computerspiel erkennen. Unterschiedliche filmische (Genre-)Elemente werden im Spiel aufgegriffen und quasi verdoppelt. Die hyper­mediale Botschaft des Kampfsport­spiel ist: „Sieh her, ich bin wie ein Film. An unterschiedlichen Schauplätzen werden spektakuläre Zweikämpfe ausgetragen.” Diese filmische Bezugnahme verläuft auf unterschied­lichen Ebenen, von filmischen Intros, über visuelle Motive, Figuren­anleihen und narrative Versatzstücke bis hin zu Kamera­bewegungen im Kampfring und film­ähnlichen Montage-Sequenzen bei bestimmten Kampfaktionen wie beispielsweise K.O.-Kombinationen.
Das Versprechen von Unmittelbarkeit ist dabei ganz anders gelagert, denn es verlangt das ‚Verschwinden‘ des Mediums, um einen bestimmten Realitäts-Effekt zu erzielen. Das ‚Mehr‘ an Realität, das das Kampfsportspiel aufruft, um den Film zu überbieten, ist dabei in letzter Instanz der Körper der Spielenden. Die unmittelbare Botschaft des Kampfsportspiels ist: „Du spielst hier die Hauptrolle. Von dir und deinem Können hängt der Ausgang des Kampfes ab.”

Wenn diese Überlegung zutrifft, dann rückt das Verhältnis zwischen dem Körper der Spielenden und den Spielfiguren ins Zentrum. Die Frage ist dann, auf welche Weise die medienspezifischen Bedingungen des Computerspiels ausgestaltet werden, um den Körper und sein Bild zusammenzubringen. Und wie dabei der Körper mit dem Versprechen von Unmittelbarkeit in Bezug gesetzt wird. Und schließlich drängt sich die Frage auf, welche spezifische ‚Realität des Körpers‘ hier medial hergestellt wird. Welche Realität ist es, für die der Körper im Kampfsportspiel als Referenz einsteht? Und welche Rolle spielt das Geschlecht und seine Inszenierung für den Realitäts-Effekt dieses Körpers? Ich werde diese Fragen entlang von Virtua Fighter 4 und von Aspekten der Verkörperung respektive der Körper-Bild-Relationen im Spiel diskutieren.

Abb. 2: Auswahlmenü in Virtua Fighter 4 (Screenshot aus Virtua Fighter 4 2001)

Abb. 2: Auswahlmenü in Virtua Fighter 4 (Screenshot aus Virtua Fighter 4 2001)

Computervermittelte Körperlichkeit

Zunächst ist es notwendig, die aufgestellte These von der zentralen Rolle des Körpers der Spielenden genauer zu begründen. Denn dieser Behauptung steht die medientheoretische Einsicht gegenüber, dass der Computer als Medium den Körper im Gegenteil geradezu systematisch auszuschließen scheint. Die Interaktion mit dem Computer ist nur vermittelt über Zeichensysteme möglich. Spielerin und Computer können grundsätzlich nur miteinander kommunizieren, „sofern beide am Symbolischen teilhaben” 7. Leibhaftige Körper haben keinen direkten Zugang zu dieser Welt der Zeichen und digitalen Rechenprozesse. Im Diskurs über die Eigenschaften virtueller Welten wurde der Computer darum auch mit der These eines angeblichen Verschwindens des Körpers beziehungsweise der Entkörperung verbunden. Die Philosophin Sybille Krämer hat allerdings überzeugend argumentiert, dass im Gegenteil die Interaktion mit computererzeugten symbolischen Welten den Körper auf spezifische Weise einbindet 8. Wenn Spieler/-innen mit Computerspielen interagieren, konkretisiert sich dies über sensomotorische Interaktion. Wahrnehmen und Handeln aber ist direkt an den leiblichen Körper rückgebunden. Es gibt allerdings keine direkte Einwirkung auf die computererzeugten symbolischen Welten, weshalb Krämer die Semiotisierung des Körpers als Voraussetzung für den Zugang zu Computerwelten bezeichnet. 9

Jede körperliche Aktion wird erst wirksam, wenn die Handlung oder Geste in ein Zeichen verwandelt wird. Notwendig ist daher die „Metamorphose von Körpern in symbolische Artefakte” 10. Semiotisierung meint in diesem Zusammenhang also zunächst, dass der Körper in ein Zeichen für den Körper verwandelt werden muss. Dies wird von Krämer allerdings nicht als ein ‚Verschwinden‘ des Körpers, sondern als seine ‚Verdoppelung‘ und Aufspaltung beschrieben. Der Körper werde verdoppelt/aufgespalten in a) einen „leiblichen Körper, der durch sein physisches Sein und seine konkrete raum-zeitliche Situierung bestimmt ist und b) einen „semiotischen Körper”, der als symbolische Entität”, „semiotisches Artefakt” oder „Datenkonfiguration” beschreibbar ist. Das Verhältnis dieser beiden Körper ist komplex und von Krämer nur andeutungsweise als „subtiles Wechselspiel zwischen leiblichem und semiotischem Körper” beschrieben 11. Der Körper verschwindet also nicht, er tritt aber auch nicht direkt in Erscheinung, sondern nur vermittelt über symbolische Repräsentationen. Gerade in Kampfsportspielen wie Virtua Fighter ist das Wechselspiel zwischen leiblichem und semiotischem Körper jedoch äußerst komplex und auf besondere Weise Gegenstand des Spiels und seiner genrespezifischen Herausforderung. So hat bereits die Auswahl eines Spielcharakters weitreichende Folgen für dieses Verhältnis: Jeder Spielcharakter ist nicht nur äußerlich im Hinblick auf Geschlecht, Körperbau, Hautfarbe und Kleidungsstil differenziert, sondern besitzt auch einen je eigenen Kampfstil. Darüber hinaus zeichnen sich die virtuellen Körper durch eine zusätzliche Ebene physischer Kodierung aus, wie Gewicht, Körpergröße, Wendigkeit, Geschwindigkeit oder Schlagkraft. Beispielsweise ‚wiegt‘ die Kämpferin Aoi 47 kg bei einer Größe von 1,62 m und praktiziert den Kampfstil Aiki Ju-Jutsu. Ihrem Gewicht und ihrer Größe entsprechend ist sie wendiger als Jeffry McWild, der bei 1,83 m Körpergröße 111 kg wiegt. Aoi ist aber nicht nur flinker als Jeffry, sondern verfügt durch ihren Kampfstil auch über andere Bewegungsmuster, über eine andere Schlagkraft etc.

Weil die Kampfbewegungen der Spielfiguren direkt an die Controller­gesten auf Seiten der Spielenden gekoppelt sind, entsprechen den unter­schiedlichen ‚Figuren‘ also auch unterschiedliche real-körperliche Bewegungen. In der Folge erfordert die jeweilige performative Interpretation je Figur eine andere Spielweise und andere Steuerungs­gesten.

Bewegungsrepertoire der Spielfigur Aoi

Abb. 3. Bewegungsrepertoire der Spielfigur Aoi als Kommandoliste (Aus dem Handbuch zu Virtua Fighter 4)

Wähle ich beispielsweise den Charakter Aoi Umenokouji, dann gehören zu dieser weiblichen Aiki Jujutsu-Kämpferin rund 76(!) verschiedene Kampfaktionen wie Tritte, Schläge und Würfe in verschiedenen Varianten und verschiedenen Kombinationen, aus denen sich Verteidigungs­aktionen ebenso wie Sprung- und Bodenangriffe und andere komplexe Bewegungs­folgen ergeben können. Im Unterschied dazu verfügt der Charakter Wolf Hawkfield, ein muskelbepackter kanadischer Wrestling-Kämpfer in kurzen Hosen, mit freiem Oberkörper und eng geschnürten Boxer­stiefeln, zwar über ein ähnlich umfangreiches Bewegungs­repertoire, aber er besitzt einen gänzlich anderen Kampfstil, der durch eigene ‚Moves‘ realisiert wird.

Grundsätzlich lassen sich in Virtua Fighter 4 einfache Aktionen, die mit nur einer oder maximal zwei Tasten ausgelöst werden, von sogenannten Combos unterscheiden. Combos stellen längere Bewegungsfolgen dar, die nur durch exakt getimte Abfolgen mehrerer Tastenaktionen ausgelöst werden können. Beispielsweise führt die Schlagfolge PPPKP+K+G, die Spieler/-innen durch die Kombination von vier Tastenaktionen ausführen können, bei Aoi zu einem Angriffsschritt, gefolgt von einer dreifachen Handschlag-Kombination und einem anschließenden Tritt mit dem Knie. 12 Diese kombinierten Aktionen werden in einer fließenden Bewegung ausgeführt, in der die Schritte und Schläge sich zu einer Art Bewegungsfigur verbinden, die in ihrer Einheit eine gewisse tänzerische Qualität vermittelt.

Beispiel einer Combo-Aktion der Figur Aoi, Kampfstil Aiki Ju-Jutsu:

Tastenaktionen/Bewegungsfolge des Spielers:

Tastenkombo in Virtua Fighter 4

Abb. 4: Typ: Einfache Schlag-Tritt-Combo (Triple Punch, Knee) Schlagfolge: PPPKP+K+G (Eigene Abbildung)

Ausgelöster Bewegungsablauf von Aoi: Ausführen einer Angriffsschritts, gefolgt von einer dreifachen Handschlag-Kombination und anschließendem Tritt mit dem Knie.

 Tastendrücken - Semiotisierung als reduzierte Körperlichkeit

Im Hinblick auf die vielfältigen Tastenaktionen basiert das elektronische Kampfsportspiel praktisch auf einer Art kybernetisch-kinetischem ‚Alphabet‘, das der Spieler zu lernen hat, wenn er im Zweikampf bestehen will. Dabei stellt das Spiel hohe Anforderungen an feinmotorische Koordination und Reaktionsfähigkeit. Um sich eine Figur und ihr Bewegungsrepertoire anzueignen, ist ein hohes Maß an Körperbeherrschung erforderlich. Obwohl das Spiel damit gewisse Ähnlichkeiten zum realen Kampfsport aufweist, der ebenfalls Körperkontrolle, Koordinationsfähigkeit und Disziplin verlangt, ist es für das Videospiel kennzeichnend, dass die realen Bewegungen der Spielenden nicht in einem direkt physischen, sondern semiotisch-kybernetischem Verhältnis zu den Bewegungen der Kämpfer/-innen stehen. Dies wird deutlich in der offensichtlichen Diskrepanz zwischen den – wenn auch durchaus anspruchsvollen – Tasten­aktionen am Controller und der körperlichen Beweglichkeit und Agilität der dargestellten Kämpfer/-innen. Die ausladenden Tritt­bewegungen, federnden Sprünge und die kraftvolle Akrobatik stehen in Widerspruch zum minimalen Tastendruck der Spielerin, die mehr oder weniger still­gestellt vor dem Bildschirm sitzt. Im Vergleich zur dargestellten körperlichen Aktion ist die tatsächliche Tätigkeit des „Knöpfchen­drückens“ geradezu unverschämt mühelos. Sie suggeriert Verfügbarkeit und Kontrolle über den virtuellen Körper. Zugleich aber wird der Anteil der Spielerin an der imposanten Beweglichkeit des virtuellen Körpers dadurch auch erkennbar herabgesetzt und minimiert - auf den Druck des Knopfes. Dieses Knöpfchen­drücken ist aber eine denkbar unspezifische und anonyme Tätigkeit.

Hans Blumenberg hat in seiner Schrift „Lebenswelt und Technisierung” den Auslöseknopf als Beispiel für die Auswechselbarkeit von unspezifischen Handlungen und damit letztlich als Verweis auf die Verwechselbarkeit und Auswechselbarkeit des Auslösenden gedeutet 13. Die Taste taugt weniger als alle anderen Vorrichtungen als Ausdruck einer Person oder eines individuellen Körpers. 14 Alles Individuelle, Persönliche der Bewegung wird ja im einzelnen Tastendruck abgezogen, homogenisiert und ist für den Effekt unerheblich.

Zu einem gewissen Grad wird diese Beschneidung der körperlichen Ausdrucksfähigkeit durch die Taste durch das Spielelement der Combos kompensiert, weil hier die außerordentlichen Bewegungsfolgen der virtuellen Kämpfer besonders anspruchsvolle Tastenkombinationen, Übung und Timing verlangen. Aber tatsächlich ist dieses Argument nicht befriedigend. Zum einen können auch die schwierigsten Tastenkombinationen nur Bewegungsfolgen triggern, die bereits apparativ programmiert vorliegen und zum anderen tritt der Widerspruch zwischen Minimalbewegung und unpersönlicher Tastenfunktion ja nur umso deutlicher hervor, je artistischer und agiler sich die Körperlichkeit des Avatars präsentiert.

Bewegungsschule und gelehriger Körper

Die Bewegungsschule von Virtua Fighter, der elektronische Kampfsport und die Steuerung von virtuellen Körpern mittels des DualShock Controllers bringen den leiblichen Körper also nur unter streng geregelten Bedingungen und unter Abzug körperlicher Individualität ins Spiel. Zugleich kann davon ausgegangen werden, dass durch die Diskrepanz zwischen minimalen Steuerungsgesten und spektakulärer Körperakrobatik eine Situation gegeben ist, in der die Verfügbarkeit und Kontrolle über den im Bild repräsentierten Körper betont wird. Das Spiel bietet damit auch eine Projektionsfläche für eine phantasmatische Körperlichkeit, es inszeniert über Interface-Steuerung und visuelle Repräsentationen einen Körper, der den eigenen Vorstellungen und Handlungen vollständig ‚gehorcht‘ und der hinsichtlich seiner Beweglichkeit, Stärke und virtuellen Unzerstörbarkeit den verletzlichen leiblichen Körper weit übertrifft.

Siegerpose Pai, Virtua Fighter 4 Screenshot

Abb. 5: Siegerpose Pai (Screenhsot Virtua Fighter 4 2001)

Diese phantasmatische Körperlichkeit zu ‚verkörpern‘ erfordert jedoch von den Spielenden selbst eine hohe Fähigkeit körperlicher Kontrolle. Der eigene Körper muss durch Übung erst dazu gebracht werden, die Steuerungsgesten soweit zu inkorporieren, dass die eigene Körperbeherrschung auch tatsächlich als Kontrolle über den Avatar souverän funktioniert. Das Spiel ist dabei als Rivalitätsübung so angelegt, dass die eigene Leistung fortwährend in einer Reihe von Prüfungen unter Beweis gestellt werden muss. 15

Damit wird Virtua Fighter aber auch als Ausdruck einer sehr spezifischen Körperpolitik erkennbar: Die Akzentuierung des Trainings und die zahlreichen komplexen Combo-Aktionen, die nötig sind, um die Kampfkunst zu perfektionieren, geben nicht nur einen Hinweis auf den Schwierigkeitsgrad des Spiels, sondern betonen zugleich Körperkontrolle als ein zu erstrebendes und durch Disziplin erreichbares Ideal. 16 Damit figurieren Kampfsportspiele das Modell eines gelehrigen Körpers und arbeiten an der Einübung und Aktivierung eines flexiblen Körpergedächtnisses, das die geforderte Körperkontrolle gewährleisten muss. 17

An die Stelle von Kategorien wie Geschlecht, Alter oder ethnische Zugehörigkeit tritt die Idee einer weitreichenden Trainierbarkeit und Formbarkeit des Körpers, die sich im Ergebnis in Wettbewerbssituationen zu bewähren hat. Der zu trainierende Körper ist dabei allerdings nicht der virtuelle Charakter auf dem Bildschirm, sondern zunächst der Körper der Spielenden selbst. 18

Als Zwischenergebnis kann hier festgehalten werden, dass im Kampfsport­spiel der Körper der Spielenden als entscheidende Handlungs­instanz angerufen wird und im Sinne einer Strategie der Remedia­tisierung eine Unmittelbarkeit und ‚Realität‘ garantieren soll, die das Spiel vom filmischen Kampfsport­genre unterscheidet. Die medialen Bedingungen von Verkörperung bringen den leiblichen Körper jedoch in eine paradoxe Situation. Er wird einerseits zentral gesetzt im Sinne einer Logik der Verkörperung, bei der die Bildschirm-Körper als Ausdrucks­qualitäten körperlichen Könnens fungieren. Andererseits kommt der leibliche Körper nur vermittelt über Semioti­sierungen ins Spiel, wobei die Tasten­steuerung den leiblichen Körper zwar als Handlungs­zentrum einbindet, dies aber unter Bedingungen, in denen alles Individuelle, Persönliche von der Bewegung abgezogen und homogenisiert wird. Das Anforderungs­profil des Spiels verweist auf ein spezifisches Körperideal, in der Technik­beherrschung als Körper­beherrschung gesetzt wird, verbunden mit dem Modell eines gelehrigen, formbaren und kontrollierbaren Körpers. Dieser gelehrige Körper kann insofern als Idealbild aufgefasst werden, als er eng mit den Bedingungen verbunden ist, unter denen die phantas­matischen Bildkörper überhaupt erst verfügbar und kontrollierbar erscheinen.

 Geschlecht als Wahl und Experiment?

Das Verhältnis zwischen dem Körper der Spielerin und dem wählbaren Bildschirmkörper ist, so lässt sich zusammenfassend formulieren, entscheidend über das Modell des gelehrigen Körpers vermittelt. Ob und inwiefern die geschlechtlichen, ethnischen und kulturellen Markierungen der Bildschirmkörper unter diesen Bedingungen überhaupt von Bedeutung sind, ist fraglich. Das Versprechen des gelehrigen Körpers wäre unter den medialen Bedingungen der Verkörperung in Virtua Fighter 4 vielleicht genau darin zu erkennen, von der konkreten Individualität von Körpern abzusehen, über die Semiotisierung des Körpers eine umfassende Homogenisierung an die Stelle geschlechtlicher, ethnischer oder kultureller Differenzierungen zu setzen. Rachel Hutchinson hat argumentiert, dass gerade in der mehrfachen Wahlmöglichkeit für unterschiedliche Körperrepräsentationen und in der überzogen stereotypen Geschlechterdarstellung die Möglichkeit für eine Subversion binärer Geschlechterordnung gegeben sei. Die Fähigkeit zwischen unterschiedlichen Charakteren zu wählen, versteht sie als Angebot, mit unterschiedlichen Selbstinszenierungen zu experimentieren 19. Hutchinsons Argument lässt sich so verstehen, dass gerade die stereotype Geschlechterdarstellung zu einem Spiel der Maskerade einlädt. So kann beispielsweise ein europäischer Mann wahlweise eine schlanke Chinesische Ju-Jutsu-Kämpferin verkörpern, um später mit dem virtuellen Körper eines kanadischen Wrestling-Kämpfers zu experimentieren; eine japanische Frau kann einen australischen Mann, und später einen chinesischen Greis verkörpern usw. Insofern solche Wahlmöglichkeiten der Festschreibung eindeutiger Geschlechterrollen zuwiderlaufen, können, so Hutchinson, im Hinblick auf das jeweilige performative ‚Rollenspiel‘ Spielräume für die Subversion von Genderstereotypen entstehen:

„Durch die Wahl unterschiedlicher Arten der Identifikation mit den Geschlechterrepräsentationen ist es möglich, zugehörige Rollenerwartungen zu untergraben. Ein Spieler kann die binären Oppositionen umkehren oder irritieren, sogar innerhalb einer existierenden binären Struktur.” 20

Eine fast völlig entgegengesetzte Position hat dagegen Martti Lahti formuliert. 21 Lahti geht davon aus, dass ‚Verkörperung‘ als grundlegender Modus von Spielerfahrung einer kulturellen Logik folgt, die darauf abzielt, Subjektivität fest im Körper zu verankern oder auf der verschwommenen Grenze zwischen Körper und Technologie zu verorten. 22. „Spiele jedoch”, so Lahti,

„zwingen unserem möglichen Begehren mit unterschiedlichen Körper zu spielen klare Beschränkungen auf. Sie beschränken unsere Wahl auf eine klar unterscheidbare und limitierte Matrix von Körpertypen, auf eine Einkaufsliste von Körpern, die als erkennbar unterschiedliche Repräsentation von unterschiedlichen Rassen, Geschlechtern und Nationen markiert sind. Das heißt, Spiele setzen der Wandlungsfähigkeit des Körpers Grenzen. Anstatt den Ausweis von Identität über ethnische oder geschlechtliche Zugehörigkeit zu dekonstruieren oder zu destabilisieren, aktivieren oder verstärken solche Spiele ein enges Set von hochgradig kodifizierten, bestehenden Kategorien, die vorübergehend bewohnt werden sollen als ein vermeintlich einfaches, auf seine Eroberung wartendes Gefäß für Andersartigkeit (den Anderen). Zugleich versprechen Spielmenüs die Erfahrung zu entdecken wie es sich anfühlen würde, unterschiedliche elektronische Subjektivitäten und Körper zu besetzen […].” 23

Im Hinblick auf die im Spiel gegebenen Wahlmöglichkeiten unterschiedlicher Spielcharaktere kommen Hutchinson und Lahti zu gegensätzlichen Schlussfolgerungen. Während Hutchinson das ‚Rollenspiel‘ als Chance sieht, binäre Geschlechterzuordnungen und Konzeptionen festgelegter Identität zu unterlaufen, betont Lahti die Beschränkungen, die jeder Form von Verkörperung auferlegt werden. Beide betonen jedoch übereinstimmend die Oberflächlichkeit und Austauschbarkeit der entlang geschlechtlich und ethnisch markierter Stereotypen konstruierten Repräsentationen. Dabei bleibt, folgt man Hutchinsons Argument zumindest im Ansatz, die Funktion von Gender in Kraft, (Selbst-)Verortungen zu provozieren. Ausgehend von der genre- und medienspezifischen Spiellogik ist Geschlecht allerdings keine Kategorie, die einen Unterschied macht. Die medialen Bedingungen von Verkörperung im Kampfsportspiel richten sich zwar zentral auf den Körper, der mit unterschiedlichen Strategien aktiviert, eingebunden und Prüfungen unterzogen wird, nicht zuletzt auch um ihn im Sinne einer Logik der Remediatisierung und der Produktion von Unmittelbarkeit als Realitäts-Effekt aufzurufen. Die ‚Wahrheit‘ des Körpers wird aber nicht über Geschlechterzugehörigkeit vermittelt, sondern muss sich ‚zeigen‘ im Modus medialer Verkörperung.

Der sichtbare Bildschirm-Figurenkörper fungiert als Inszenierung oder Ausdrucksebene der eigenen Fähigkeiten am Interface. Er bringt etwas zur Aufführung, was als ‚Verkörperung‘ im Sinne der Beziehung zwischen Spielerin und Bild immer fragil bleibt, und sich unter den Bedingungen des Wettkampfs beweisen oder bewahrheiten muss. Wie sehr die Verkörperung gelingt, ist auch entscheidend für den Erfolg im Kampf, zeigt dieser doch die Verkörperung unter dem Gesichtspunkt von Sieg oder Niederlage, bei dem sich die Geschicklichkeit der Spielerin im Modus der Verkörperung performativ beweisen und zur Aufführung bringen muss. Dieser Leistungstest der Verkörperung setzt diese dem möglichen Scheitern aus. ‚Identität‘ als Kongruenz von körperlicher Performanz und sichtbarer Figur ist flüchtig (sie dauert nur an, solange das Spiel läuft), ist fragil (kann gelingen oder scheitern) und an die Bedingung kybernetischer Unterordnung (Einpassung an die Kommunikations- und Handlungsrahmen digitaler Medien) geknüpft. Denn die Virtuosität im Spiel ist stets nur durch die Unterwerfung unter die Regeln des Interfaces, der Steuerung, der Spielregeln zu haben. Handlungsfähig ist man, so die kulturelle Logik dieses Settings, indem man einen zeichenhaft überkodierten Körper 'wählt' und diesen als Ausdrucksgeschehen der eigenen Handlungsfähigkeit begreift. Gelungene Verkörperung gründet dabei nicht auf einer festen Verbindung zwischen dem Körper und seiner Repräsentation, sondern wird streng als Vollzug, als wiederholte Aneignung durch die Produktion oder Aktivierung eines gelehrigen Körpers gefasst.

Man könnte sich fragen, ob nicht Identität oder Identifizierung insgesamt im Spiel letztlich nur negativ oder in Auflösung begriffen vorkommen. Vielleicht spiegelt sich darin ein weitergreifender kultureller Destabilisierungsprozess, bei dem die Relationen zwischen Geschlecht, Identität und Körper zunehmend in Bewegung geraten. ‚Identität‘ als ein essentialistisches Konzept, bei dem es einen Kern des Selbst gibt, oder einen unverbrüchlichen Zusammenhang zwischen einem ‚Ich‘ und einem ‚Körper‘ wird durch das Spielsetting nicht gestützt. Im Gegenteil wird die ‚Handlung unter Konkurrenzbedingung‘ zum beherrschenden Maßstab für eine gelungene Beziehung zwischen dem eigenen Körper und seinem medial repräsentierten Bild. 24

Zu bedenken ist allerdings, und das wäre vielleicht als ein abgewandeltes Konzept von Identität zu verstehen, dass sich im Gleichklang von Körper und Bild eine performative ‚Virtuosität‘ zeigen kann. Diese Virtuosität ist jedoch nicht ohne Arbeit, nicht ohne endlose Wiederholung, Training, Disziplin, Einübung zu haben. Durch Disziplin kann sich die Spielerin vielleicht vorübergehend dem Wunschbild einer nahtlosen Verschmelzung des handelnden Körpers mit dem Körper-als-Bild, als Rest eines Begehrens nach ‚Einheit‘ oder Identität annähern, am Ende aber kann keiner im Spiel verweilen. Die Identitätsangebote in Virtua Fighter 4 taugen nicht als permanente Behausung.

Verzeichnis der verwendeten Medien

Spiele:

Beam Software: The Way of the Exploding Fist ( Commodore 64 u.a.). 1985.
Capcom: Street Fighter 2 (Super Nintendo Entertainment System u.a.). 1991.
Midway Games u.a.: Mortal Combat (Serie, versch. Plattformen). Seit 1992.
Namco: SoulCalibur (Serie, versch. Plattformen). Seit 1998.
Namco: Tekken (Serie, versch. Plattformen). Seit 1994.
Nintendo: Kung-Fu-Master (Arcade u.a.). 1984.
Sega: Virtua Fighter (Serie, versch. Plattformen). Seit 1993.
System 3: International Karate (Commodore 64). 1986.
System 3: The Last Ninja (Commodore 64). 1987.
Technōs Japan: Karate Champ (Arcade u.a.). 1984.

Literatur:

Angerer, Marie-Luise: Vom Begehren nach dem Affekt. Zürich; Berlin: Diaphanes 2007.
Blumenberg, Hans: Lebenswelt und Technisierung unter Aspekten der Phänomenologie. In: Ders.: Wirklichkeiten in denen wir leben : Aufsätze und eine Rede. Stuttgart: Reclam 2012, S. 7–54.
Bolter, David Jay; Grusin, Richard : Remediation. Understanding New Media. Cambridge, Mass. u.a.: MIT Press 1999.
Butler, Mark: Zur Performativität des Computerspielens. Erfahrende Beobachtung beim digitalen Nervenkitzel. In: Pias, Claus und Christian Holtorf (Hrsg.): Escape! : Computerspiele als Kulturtechnik. Köln: Böhlau 2007, S. 65–83.
Deuber-Mankowsky, Astrid: Das virtuelle Geschlecht. Gender und Computerspiele, eine diskursanalystische Annäherung. In: Pias, Claus; Holtorf, Christian  (Hg.): Escape! : Computerspiele als Kulturtechnik. Köln: Böhlau 2007, S. 85–104.
Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1988.
Garite, Matt: The Ideology of Interactivity (Or, Video Games and the Taylorization of Leisure). In: Copier, Marinka; Raessens, Joost  (Hg.): Level Up. Digital Games Research Conference. Utrecht: Universtität Utrecht 2003.
Hutchinson, Rachael: Performing the Self: Subverting the Binary in Combat Games. In: Games and Culture 2/4 (2007), S. 283-299.
Krämer, Sybille: ‚Performativität‘ und ‚Verkörperung‘. Über zwei Leitlinien für eine Reflexion der Medien. In: Pias, Claus (Hg.): Neue Vorträge zur Medienkultur. Weimar: VDG 2000, S. 185-197.
Lahti, Martti: „As We Become Machines: Corporealized Pleasures in Video Games“. In: Wolf, Mark J. P. und Bernard Perron (Hg.): The Video Game Theory Reader. New York u.a.: Routledge 2003, S. 157-170.
Neitzel, Britta: Medienrezeption und Spiel. In: Distelmeyer, Jan; Hanke,Christine; Mersch, Dieter  (Hrsg.): Game over⁉ Perspektiven des Computerspiels. Bielefeld: transcript 2008, S. 95-113.
Nohr, Rolf F.: Rhythmusarbeit. In: Neitzel, Britta und Rolf F. Nohr (Hg.): Das Spiel mit dem Medium. Partizipation - Immersion - Interaktion. Zur Teilhabe an den Medien von Kunst bis Computerspiel, Schriftenreihe der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) 14. Marburg: Schüren 2006, S. 223-243.
Seier, Andrea: Remediatisierung: Die performative Konstitution von Gender und Medien. Münster: LIT 2007.
Wiemer, Serjoscha: Das geöffnete Intervall – Medientheorie und Ästhetik des Videospiels. Paderborn: Fink 2014.

Filme:

Brandt, Chris: Dance, Voldo, Dance. USA 2002.
Clouse, Robert: Enter the Dragon (dt. Verleihtitel: Der Mann mit der Todeskralle). Hong Konk / USA 1973.
Lee, Bruce: Meng long guo jiang (engl. Verleihtitel: The Way of the Dragon/Fury of the Dragon, dt. Verleihtitel: Die Todeskralle schlägt wieder zu). Hong Kong 1972.
Newt, Arnold: Bloodsport. USA 1988.
Yuen, Woo-ping: Jui kuen (int. Verleihtitel Drunken Master, dt. Verleihtitel: Sie nannten ihn Knochenbrecher). Hong Kong 1978.

  1. In Virtua Fighter 4 Evolution, kommen noch zwei neue Charaktere hinzu[]
  2. Ein Strukturmerkmal, das spätestens seit Street Fighter 2 (Capcom, 1991) zum festen Bestand des Spielgenres gezählt werden kann.[]
  3. Einflussreich scheint speziell das Hong Kong-Kino der 1970er Jahre, das mit Ikonen des Genres wie Bruce Lee und Jacky Chan international populär wurde. Internationale Aufmerksamkeit erlangten beispielsweise die Filme Meng long guo jiang (engl. Verleihtitel The Way of the Dragon/Fury of the Dragon) (Hong Kong, 1972) von und mit Bruce Lee, in dem ein junger Mann zahlreiche Kämpfe besteht, um seine Verwandten gegen einen Erpresser­ring zu beschützen oder Jui kuen (int. Verleihtitel Drunken Master) (Hong Kong, 1978) mit Jackie Chan, in dem ein undisziplinierter Junge in der Kampfkunst des Drunken Kung-Fu unterrichtet wird.[]
  4. Prominente Beispiele für derartige Turnierkämpfe finden sich Genreklassikern wie Enter the Dragon mit Bruce Lee in der Hauptrolle (Hong Kong/USA, 1973) und in Bloodsport mit Jean-Claude Van Damme (USA, 1988).[]
  5. Bolter, Grusin: Remediation. 1999.[]
  6. Vgl.  Bolter, Grusin: Remediation. 1999. Vgl. weiterführend für eine dezidiert performative Lesart dieses Ansatzes hinsichtlich Parallelen zwischen Gender und Medien  Seier: Remediatisierung. 2007.[]
  7. Butler: Zur Performativität des Computerspielens. 2007, S. 65–83.[]
  8. Vgl. zum Begriff der Verkörperung hinsichtlich seiner Bedeutung für medienwissenschaftliche Debatten weiterführend Krämer: „Performativität‘ und ‚Verkörperung‘. 2000, S. 185–197.[]
  9. Vgl. Krämer: „Performativität‘ und ‚Verkörperung‘. 2000, S. 193.[]
  10. Krämer: „Performativität‘ und ‚Verkörperung‘. 2000, S. 194[]
  11. Krämer: „Performativität‘ und ‚Verkörperung‘. 2000, S. 194) []
  12. Für die Spieleingaben wird auf der PlayStation 2 für Virtua Fighter 4 üblicherweise ein DualShock2 Analog-Controller verwendet. Der DualShock kann mit beiden Händen gehalten werden und verfügt über ca. 14 Aktionstasten, zwei Analog-Sticks und eine Rüttelfunktion durch eingebaute Vibrationsmotoren, das sogenannte „Force Feedback”. Im Virtua Fighter 4 konzentriert sich die Steuerung der Figuren auf insgesamt elf unterschiedliche Tasten. Die Force Feedback-Funktion ist in der Standard-Einstellung nicht aktiviert.[]
  13. Blumenberg: Lebenswelt und Technisierung unter Aspekten der Phänomenologie. 2012, S. 7–54.[]
  14. Das gilt für die Taste als Schalter. Anders verhält es sich beispielsweise beim Klavier, bei dem der Anschlag der Taste den Ton erzeugt.[]
  15. Der Begriff des gelehrigen Körpers ist hier an Michel Foucaults Darstellung der Disziplin angelehnt. Vgl. Foucault: Überwachen und Strafen. 1988, S. 173-250.[]
  16. Die Betonung von körperlicher Disziplin, das Motiv eines gelehrigen und formbaren Körpers und das Ziel perfekter Körperkontrolle ist auch im Kampfsportfilm fest verankert. Erzählt wird beispielsweise vom Erlernen eines speziellen Kampfstils, das den (meist männlichen) Helden zahlreiche Entbehrungen abverlangt, und dessen Meisterschaft schließlich den Sieg gegen ihre Widersacher ermöglicht. Die mediale Differenz des Spiels ist jedoch hier entscheidend in der Adressierung des Körpers der Spielenden zu erkennen.[]
  17. In Virtua Fighter 4 wird das motorische Gedächtnis extrem gefordert. Die Technikbeherrschung verlangt die Adaptionsfähigkeit an unterschiedliche Spielcharaktere mit ihren zahlreichen und je spezifischen ‚Moves‘. In dem Maß, wie dabei sensomotorisches Wissen auf die Aneignung von informatorischer Steuerung und halbautomatische sensomotorische Schemata abzielt, wird im Spiel das Modell eines gelehrigen Körpers erkennbar. Ein Körper, der durch Wiederholung geformt wird und zur Wiederholung von Bewegungsfolgen trainiert wird. Dabei zählt das einzelne Schema weniger als die fortwährende Bereitschaft sich für immer neue Verkörperungen offen zu halten. Das Videospiel ist in Virtua Fighter 4 ein Körpertraining, das weniger auf bestimmte Eigenschaften zielt, als dass es eine Form für die Trainierbarkeit selbst bereitstellt.[]
  18. Dies ist ein weiterer Unterschied zum Genre des Computer-Rollenspiels, in dem die Fähigkeiten einer Figur durch Erfahrungspunkte, Updates, Missionen usw. Schritt für Schritt erhöht werden können. In Virtua Fighter sind die Kampf- und Bewegungsfähigkeiten der Figuren mehr oder weniger vollständig gegeben, sie sind Bestandteil der physischen Kodierung der Spielkörper. Dagegen ist es der Körper der Spielenden, dessen Fähigkeiten durch Übung gesteigert werden müssen.[]
  19. Hutchinson: Performing the Self. 2007, S. 294.[]
  20. Hutchinson, Performing the Self. 2007, S. 296, Übersetzung des Zitats durch d. Verf.[]
  21. Lahti: As We Become Machines. 2003, S. 157–170.[]
  22. Lahti: As We Become Machines. 2003, S. 158[]
  23. Lahti: As We Become Machines. 2003, S. 167, Übers. d. Zitats d. Verf.[]
  24. Als eine Alternative zu dieser zugegeben pessimistischen Lesart wäre allerdings die Möglichkeit zu sehen, das Spiel gegen die impliziten Vorgaben des Leistungstests und der Rivalitätsübung zu spielen. Beispiele hierfür sind etwa in einem Modus ästhetischer Aneignung zu erkennen, in dem das Verhältnis von Spielenden und Körper-als-Bild als kinästhetische Interpretation ausgestaltet wird. Die im Spiel relevanten Aspekte von Rhythmus, Synchronisierung und Timing sind ästhetische Kategorien, über die Praxen des Videospielens unter bestimmten Umständen auch in Analogie zu musikalisch-tänzerischen Handlungs- und Wahrnehmungsweisen zu begreifen wären. So können Bewegungsfiguren des Kampfsportspiels als Ausdrucksmittel verwendet werden, um tänzerische Gesten zu vollführen und durch performative und ästhetische Spielweisen vorgegebene Konkurrenzsituationen umzudeuten. Exemplarisch wäre hier an die Möglichkeit eines tänzerisch konturierten Spielstils zu denken. Ein eindrucksvolles Beispiel eines solchen Spielstils stellt die viel beachtete Machinima-Interpretation von SoulCalibur in Dance, Voldo, Dance von Chris Brandt (2002) dar (http://www.bainst.com, [09.11.2014]). Statt eines Zweikampfs vollziehen die Spielfiguren eine Art Paartanz und die Semantik des Kampfes wird zu einem Spiel homoerotischer Verführung umgedeutet. Vgl. hierzu ausführlich Wiemer, Serjoscha: Das geöffnete Intervall – Medientheorie und Ästhetik des Videospiels. Paderborn: Fink 2014, S. 172-190.[]

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Wiemer, Serjoscha: "„I'll show you the results of my training.” Aspekte medialer Verkörperung im Kampfsportspiel Virtua Fighter.". In: PAIDIA – Zeitschrift für Computerspielforschung. 15.12.2014, https://paidia.de/ill-show-you-the-results-of-my-training-aspekte-medialer-verkorperung-im-kampfsportspiel-virtua-fighter/. [25.04.2024 - 19:35]

Autor*innen:

Serjoscha Wiemer

Serjoscha Wiemer (*1974) arbeitet als Akademischer Rat für Digitale Medien/Mobile Media am Institut für Medienwissenschaften an der Universität Paderborn. Er forscht zur Geschichte und Theorie des Computers, zu Spiel als ästhetische und epistemologische Form sowie zu Affekt- und Bildtheorien. Letzte Veröffentlichungen: Das geöffnete Intervall – Medientheorie und Ästhetik des Videospiels. Paderborn 2014: Fink. Rewriting the matrix of life. Biomedia between ecological crisis and playful actions (zusammen mit Christoph Neubert). In: Vagt, Christina/ Sprenger, Florian (Hrsg.): Afterlife of systems. communication+1, Volume 3, 2014, http://scholarworks.umass.edu/cpo/vol3/iss1/6/ Die Datenbank als mediale Praxis. Hrsg. gemeinsam mit Stefan Böhme & Rolf F. Nohr. Münster u.a. 2012: LIT, Reihe Medien'Welten Kontakt: http://homepages.uni-paderborn.de/swiemer/