Dies tun wir aber nicht einfach, weil wir nur selbst gerne spielen, sondern weil wir unseren Gegenstand für einen untersuchungswürdigen und vor allem auch einen untersuchungsnotwendigen halten. Das Computerspiel (und auch die Computerspielkultur!) braucht die wissenschaftliche Auseinandersetzung und das Hinterfragen seiner Prämissen, sowohl der offenen als auch der versteckten, sowohl der ludischen als auch der narrativen, vor allem aber auch der ideologischen und politischen. Denn was uns die aktuellen Entwicklungen von GamerGate hin zu rechtsextremen Gruppierungen wie der sogenannten „Alt-Right“ zeigen, ist, dass das Computerspiel und die es umgebende Kultur längst (und nicht ganz zufällig) Schauplatz gesellschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen geworden ist. Gerade als Geistes- und Kulturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler wollen wir dazu beitragen, solche Zusammenhänge aufzuzeigen, sie zu kontextualisieren, zu analysieren und, ja, auch zu kritisieren. Auch wenn diese Anlässe keine angenehmen sind, so wird daran doch die Aktualität und die zunehmende gesellschaftliche Relevanz unseres Forschungsbereichs deutlich. Denn auch wenn Johann Huizinga in seiner Idealvorstellung von Spiel dessen Abgetrenntheit von der realen Welt, sogar „die zeitweilige Aufhebung der ‚gewöhnlichen Welt‘“ betonte, ist das Spiel dennoch immer auch Teil einer sozialen und politischen Umwelt; und gerade weil jedes Spiel als ein Ausnahmeraum in sich immer auch absolut ist, es im Spiel also immer um alles geht, ist es zugleich auch ein Raum, in und mit dem, wie bereits Wolfgang Iser festhielt, „immer alles auf der Kippe“ steht. Deshalb ist es bei aller Begeisterung und Faszination für den eigenen Gegenstand absolut unerlässlich, sich weiterhin und zunehmend mit kritischer Distanz und Haltung dem Gegenstand und seinen historischen und aktuellen Kontexten zu nähern. An anderer Stelle nannten wir dies „engagierte Beobachtung“, „die die Relevanz des Beobachteten allein schon durch ihre Beobachtungen“ unterstreicht.
Wenn wir damit einerseits unser Bemühen um analytische Distanz betonen, dann auch, weil wir andererseits davon überzeugt sind, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verantwortungsvoll am öffentlichen Diskurs teilnehmen sollten. Die Kulturwissenschaften wissen um den unsicheren Grund ihrer Arbeit, um die Abhängigkeit des Beobachteten vom Akt des Beobachtens. Doch statt diesen Grund zu verstecken, sollte er ausgestellt, transparent gemacht werden und so etwas wie Objektivität auf zweiter Ebene, mindestens aber Nachvollziehbarkeit hergestellt werden. So kann Wissenschaft eine Form kritischer Haltung im Sinne Foucaults und zugleich der unbedingte Widerstand sein, den Jaques Derrida von ihr und für sie einforderte.
Deshalb gilt unverändert das, was auch bei der Gründung Paidias galt: Wir stehen für eine medien-kulturwissenschaftliche Beobachtung von Computerspielen und wir verstehen uns dabei als ein trans- und interdisziplinär ausgerichtetes Journal, das Raum für ein kritisches und reflektiertes Nachdenken über die Formen, Inhalte und Entwicklungen des Mediums Computerspiel und seiner Kultur, aber eben auch seiner Erforschung gibt. In diesen Sinn betreiben wir weiterhin „advanced game studies“ als Arbeit und als Spiel – allerdings als ein freies, forschendes Spiel, als das wir Caillois’ zügel-und regelloses Kinderspiel „Paidia“ verstehen.
Wer mit Paidia ins Gespräch kommen möchte: Wir sind jederzeit per E-Mail, Twitter und Facebook erreichbar. Wir freuen uns über Impulse, Diskussionen und neue Beiträge.
Viel Vergnügen bei hoffentlich erkenntnisreichen Lektüren wünschen
Herausgeber & Redaktion von Paidia